WIE DIE GEWOHNHEIT ZUR ABHÄNGIGKEIT WIRD

Stell dir vor: ein Kollege erzählt, er brauche jeden Abend ein Bier, um sich vom stressigen Tag zu erholen. Ohne das Bier könne er nicht entspannen. Vielleicht ziehst du alarmiert die Augenbrauen hoch und denkst „Oha, wenn das nicht schon nach einer Sucht klingt!“
Etwas später gehst du zur Kaffeemaschine, wie jeden Tag um diese Zeit, denn das Nachmittagstief lässt dich unkonzentriert werden. Und zu dem Kaffee gehört eigentlich auch etwas Süßes. Zwar wolltest du diese Woche etwas weniger Süßes essen, aber als du die Snack-Auswahl siehst, kannst du nicht widerstehen. „Ich brauche jetzt etwas für die Nerven“ rechtfertigst du dich vielleicht innerlich.

Könnte eine realistische Geschichte sein, oder?

Alkohol, Kaffee, Nikotin und Zucker zählen im weitesten Sinne zu den sogenannten Genussmitteln. Doch selten werden sie wirklich mit Genuss konsumiert. Es geht um die anregende oder beruhigende Wirkung, es sind unreflektiert ablaufende Gewohnheiten. Und in einigen Fällen hat sich daraus eine Abhängigkeit, eine stoffgebundene Sucht, entwickelt. Damit ist diesen Substanzen eigentlich ihre Zuschreibung, das Wohlbefinden positiv zu beeinflussen, abzusprechen.

Je häufiger und unkontrollierter diese angeblichen Genussmittel konsumiert werden, desto weniger wird der Genuss und desto schwerwiegender tritt die gesundheitsschädliche Wirkung auf.

Genussmittel erfüllen eine Funktion. Sie verschaffen z.B. Wohlgefühle und Entspannung, sie vertreiben negative Gefühle und Gedanken oder wirken anregend und leistungssteigernd. Doch schon nach kurzer Zeit regelmäßigen Konsums, wenn es zur Gewohnheit oder exzessiv wird, schaden sie Körper und Psyche.

  • Kannst du ohne Alkohol nicht mehr entspannen?
  • Benötigst du Medikamente zum Einschlafen?
  • Isst du, weil die Seele hungrig ist?
  • Tauchst du in digitale Medien ab, um den Problemen des Alltags zu entkommen?
  • Nimmst du Pillen, um leistungsfähiger zu sein?
  • Machst du viele Überstunden, weil du dich nach dem Gefühl sehnst, gebraucht zu werden?

Wenn du an dir selbst bemerkst, dass du eine Substanz oder Tätigkeit nutzt, um damit etwas Bestimmtes zu erreichen, solltest du aufmerksam werden!

Bin ich abhängig?

Jede Sucht, oder inzwischen benannt als Abhängigkeit, entsteht über den Prozess:

Erfahrung - Wiederholung - Gewöhnung - Missbrauch

Das Suchtmittel oder die Verhaltensweise wirkt auf das Belohnungszentrum im Gehirn und löst dort positive Gefühle aus. Daher ist eine Sucht auch kein Anzeichen für eine Charakterschwäche, sondern eine Krankheit, der eine Fehlregulation im Gehirn zu Grunde liegt. Die Abhängigkeit entwickelt sich in der Regel über einen längeren Zeitraum. Die Übergänge des Prozesses sind fließend.

Für die Abhängigkeit werden mehrere Kriterien angegeben. Wenn mindestens drei erfüllt sind, bist du betroffen:

Starkes
Verlangen

Der Wunsch, eine Substanz zu konsumieren oder eine Handlung durchzuführen ist unwiderstehlich groß.

Kontroll-
verlust

Schwierigkeiten, die gefassten Vorsätze in Bezug auf Menge, Art, Zeitpunkt und  Häufigkeit des Substanzkonsums einzuhalten.

Gewöhnungs-
effekt

Körper und Geist gewöhnen sich an das Suchtmittel. Es sind immer größere Mengen nötig, um den gewünschten Effekt zu erzielen. (Toleranzentwicklung)

Entzugs-
erscheinungen

Körperliche Beschwerden bei Reduzierung der Konsummenge oder bei Beenden des Konsums. Diese unterscheiden sich je nach Suchtmittel.

Unfähigkeit zum Verzicht

Es ist nicht möglich zu verzichten, trotz des Wissens, dass bereits schwere gesundheitliche oder soziale Konsequenzen eingetreten sind.

Fokus auf
die Sucht

Der Konsum oder die Tätigkeit führt zur Vernachlässigung wichtiger Verpflichtungen; das Interesse an anderen Beschäftigungen, Hobbies und sozialen Kontakten lässt nach.

Du siehst, es werden keine Mengen angegeben und der Substanzkonsum muss nicht zwingend täglich erfolgen. Im Zentrum der Definition steht die Frage, welchen Stellenwert und welche Bedeutung das Suchtmittel im Leben einnimmt. Nur durch eine ehrliche und selbstkritische Beantwortung dieser Frage kann man klären, ob eine Abhängigkeit besteht. Und erst wenn du ernsthaft versuchst zu verzichten, kannst du deinen Konsum anhand dieser Kriterien tatsächlich bewerten. Denn es ist leicht sich einzureden, man könnte den Gin Tonic jederzeit weglassen, wenn man es nie dauerhaft versucht hat.

Im folgenden Selbst-Check kannst du dein Konsumverhalten unter die Lupe nehmen.
Der Check dient ausschließlich der Selbstreflexion.

LASS DEIN LEBEN NICHT VON ALLTAGSSÜCHTEN BESTIMMEN

Auch wenn du deinen Konsum von Genussmitteln oder anderer Substanzen noch im Bereich der unliebsamen Angewohnheiten einordnest – schütze dich davor in eine Abhängigkeitserkrankung zu geraten! Es kann jeden und jede treffen.

Jeder und jede hat jedoch auch die Möglichkeit der Sucht zu entfliehen. Darüber hinaus kannst du dir gewiss sein, dich körperlich und psychisch besser zu fühlen, wenn du deinen gewohnheitsgetriebenen Konsum reduzierst und das Glas Wein, die Schokolade, die Tasse Kaffee tatsächlich zum bewussten Genuss werden lässt!

Die wichtigsten Tipps, um Gewohnheiten zu verändern:

  • Plane deinen Austritt aus der Gewohnheit so konkret wie möglich – anstatt es nur bei einem guten Vorsatz zu belassen!
  • Reduziere Versuchungen (z.B. durch achtsames Einkaufen, einem anderen Weg zur Arbeit, bewusste Auswahl der Personen, mit denen man Zeit verbringt,…)!
  • Spreche mit Vertrauenspersonen über dein Vorhaben und deine Schwierigkeiten.
  • Arbeite an deinem Stresslevel. Stress ist ein bedeutsamer Risikofaktor für riskanten Substanzkonsum. Dass Alkohol, Koffeintabletten oder andere Pillen zur Stressbewältigung beitragen, ist reine Schönrederei.

Bleib dran!

Raus aus der Sucht – Hilfsangebote

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